Bajonett in den Bauch

„Keiner hat uns in der Schule beigebracht, wie man bei Wind und Regen eine Zigarette anzündet“, sagt Paul Bäumer. „Oder, dass man ein Bajonett in den Bauch stößt, weil es dort nicht festklemmt wie zwischen den Rippen.“ Es dauert keine fünf Minuten, und die Schauspielerin des Jungen Staatstheaters Katharine Breier hat ihr Publikum mit an die Front genommen. An die Front des Ersten Weltkriegs. Breier bringt als Darstellerin des Klassenzimmerstücks „Im Westen nichts Neues“ einen der berühmtesten und umfangreichsten Antikriegsromane ins Klassenzimmer der Klasse 9c und 9e.

Dabei stellt sich zunächst die Frage: Hat ein solcher Roman als knapp einstündiger Monolog Sinn? Die Antwort ist ganz klar: „Ja“. Prägnante Passagen wie die eingangs zitierte Szene werden zu einer packenden und letztlich erschütternden Erzählung gefügt: Was der Krieg aus Menschen macht, wird schnell klar, wenn Breier in der Rolle als Paul Bäumer lapidar erzählt, was für ein „guter Tag“ es war, als der „Küchenbulle“ für 150 Mann gekocht hatte und nur 80 von der Front zurückkehrten:

“ Da wurden wir endlich mal satt.“

 

Von der Erinnerung an den Lehrer Kantorek, der seine Klasse dazu brachte, sich freiwillig zu melden, führt das Stück zu den Fronterfahrungen zwischen Granaten- und Gasangriffen und einem ernüchternden Heimaturlaub bei Menschen, mit deren Alltag der Soldat Paul nichts mehr zu tun hat. Die überdrehte Flapsigkeit der jungen Soldaten, die sich über ihre Friedenspläne austauschen, bringt Breier ebenso natürlich rüber wie die pure Verzweiflung Pauls angesichts seiner Entfremdung von zu Hause: “Es wäre eine Gefahr für mich, das in Worte fassen“, sinniert er angesichts der Fachfragen seines Vaters. „Was wird aus uns, wenn uns klar wird, was da draußen geschieht?“

Die Stärke des Romans und der berühmten Verfilmung, ohne konkreten Appell und einfach durch die Vermittlung dessen, „was da draußen geschieht“, den Schrecken des Krieges spürbar zu machen, hat auf ihre ganz eigene Weise auch für diese erarbeitete Theaterversion, deren desillusionierendes Ende lange nachhallt.

Im Anschluss hatten die sichtlich beeindruckten Schülerinnen und Schüler noch Zeit, um in einer Diskussionsrunde ihre Fragen an die Schauspielerin zu richten. Die Schülerinnen und Schüler bedanken sich beim Förderverein der Wilhelm – Lorenz – Realschule für die finanzielle Unterstützung, die dieses beeindruckende Erlebnis möglich machte.

Nach: Andreas Jüttner